Eugen Richter
1838-1906







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Eugen Richter gegen die Flottenaufrüstung
 


Reichstag, 14. Dezember 1899



Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Richter.

Richter, Abgeordneter: Wenn der Herr Minister Thielen gestern hier gewesen wäre, so würde er wahrscheinlich den Eindruck empfangen haben, daß die Ausführungen des Herrn von Kardorff mehr zur Belustigung und Erheiterung des Hauses gedient haben

(sehr richtig! links),

als sie im Hause ernsthaft genommen wurden.

(Sehr richtig! links.)

Lang’, lang’ ist’s her, daß wir den Herrn von Miquel hier nicht gesehen haben; die Wasser müssen ihm schon sehr hoch gehen, wenn er das Reichstagsufer einmal betritt.

(Sehr richtig! links.)

Vielleicht war es auch nicht bloß Herr Dr. Lieber, dessen Aeußerungen ihn hierher zitirten; er nahm die Gelegenheit wahr, durch eine demonstrative Flottenbegeisterung seine Position auch noch nach einer anderen Seite hin zu stärken.

(Sehr gut! links.)

Indessen sei dem, wie ihm sei, von Zeit zu Zeit sehn wir ihn gern; schade nur, daß er nicht etwas länger gestern geblieben ist, als Herr von Kardorff die Sprache brachte auf die verfassungswidrige Maßregelung der Landräthe im preußischen Abgeordnetenhaus. Herr von Kardorff sagte freilich, er wisse, daß Herr von Miquel persönlich nicht dabei betheiligt sei. Wenn Herr von Kardorff Muselmann wäre

(Heiterkeit),

würde er vielleicht bei sich denken: Allah weiß es besser.

(Heiterkeit.)

Wenn er sich nicht auf Allah berufen wollte, so hätte er auch sagen können: Fürst Hohenlohe weiß es besser.

(Sehr gut! links.)

Herr von Miquel meinte gestern, nach seiner langjährigen Praxis sei es nicht üblich gewesen, Reden des Monarchen hier einer Kritik zu unterziehen. Meine Herren, unter dem früheren Monarchen kam es auch nicht vor, daß derselbe in öffentlichen Reden Angelegenheiten des Reichstags besprach.

(Sehr richtig! links.)

Wenn der Monarch von seiner privilegirten Redefreiheit Gebrauch macht, zum Volke öffentlich derart zu sprechen, so ist es unsere Pflicht, von unserer Redefreiheit Gebrauch zu machen, um darauf zu erwidern.

(Sehr richtig! links.)

Wie du mir, so ich dir; wie es in den Wald hineinruft, so schallt es wieder aus dem Walde heraus.

(Sehr richtig! links.)

Und dann lag hier noch eine ganz besondere Veranlassung vor. Der Reichstag war in jener Rede ungerechtfertigten Anschuldigungen unterworfen worden; es war ihm zum Vorwurf gemacht, in den ersten acht Jahren der Regierung des gegenwärtigen Kaisers Verstärkungen der Flotte beharrlich abgelehnt und das Wohl des Ganzen Parteiinteressen untergeordnet zu haben. Gegen solche Anschuldigungen sich zu vertheidigen, dazu bedarf es nicht erst des Männerstolzes vor Königsthronen, das ist einfach Pflicht der Selbstachtung.

(Sehr gut!)

Wenn ein einfacher Privatmann solche Beschuldigungen gegen den Reichstag erhebt, so ist der Reichstag zu vornehm, um eine Genehmigung zur Verfolgung zu ertheilen; wenn aber von solcher hohen und privilegirten Stelle aus solche Vorwürfe erhoben werden, dann eben ist es Pflicht des Reichstags, dagegen zu sprechen.

(Sehr gut! links.)

Die Herren Minister und Abgeordneten, die sich gestern Mühe gaben, jene Hamburger Rede zu vertheidigen, haben gerade von demjenigen nicht gesprochen, wogegen sich die Kritik des Herrn Dr. Lieber kehrte; — nicht gegen die Aufforderung, einig zu sein, sprach Abgeordneter Dr. Lieber, sondern seine Kritik kehrte sich gegen die Betrachtungen, welche die Rede anstellt in Bezug auf die Vergangenheit, die frühere Haltung des Reichstags in den acht Jahren. In dieser Beziehung will ich noch einige Thatsachen ergänzend zu den Ausführungen des Herrn Dr. Lieber hinzufügen.

Meine Herren, was ist denn in diesen acht Jahren, Etatsjahr 1889 bis Etatsjahr 1896, endgiltig abgelehnt? Zwei Küstenpanzer! Nun, die Regierung selbst hat bald darauf Abstand genommen, überhaupt diese Küstenpanzer nochmals zu fordern, weil sie sich inzwischen überzeugt hatte, daß die ganze Siegfriedklasse den auf sie gesetzten Erwartungen nicht entsprach; im neuen Flottengesetz sind deshalb gerade diese Küstenpanzers auf den Aussterbeetat gesetzt worden, d. h., wenn ihre Dienstzeit abgelaufen, werden sie nicht wieder ersetzt werden.

(Sehr richtig!)

Die Ablehnungen in dem Reichstag haben also bewirkt, daß zwei Küstenpanzer gespart worden sind, die die Regierung selbst nicht als ihre Zwecke vollständig entsprechend erachtet. Im übrigen betreffen die Ablehnungen 4 oder 5 Korvetten, kleine Kreuzer, Avisos — die Bezeichnung hat ja fortgesetzt gewechselt für diese Schiffsklassen.

Warum aber sind diese Kreuzer zurückgestellt worden mehrere Jahre? Weil die Regierung selbst sich wechselte in der Konstruktion dieser Schiffe, weil sie selbst in ihren Ansichten unter dem Wechsel unterlag, und weil sie im Laufe der Jahre ganz verschiedene Dinge als Zwecke für diese Schiffe bezeichnete. In jener Denkschrift von 1889 werden diese Schiffe als Kaperschiffe bezeichnet. Nun, was war natürlicher, als daß der Reichstag, der nicht über ein gewisses Maß der Bewilligung hinausgehen wollte, die Vermehrung der Kaperschiffe, als einem sekundären Zweck dienend, zurückstellte hinter anderen Bewilligungen? Späterhin sind auch diese Schiffe, wenn auch unter anderen Namen, bewilligt worden, und so ist es auch ganz ungerechtfertigt, zu behaupten, daß, wenn solche Schiffe nicht verweigert worden wären, heute man den Handel, die Seeinteressen ganz anders schützen könnte. Alle jene Schiffe und mehr Schiffe schwimmen gegenwärtig auf dem Wasser.

Meine Herren, sind jene Ablehnungen denn erfolgt, etwa weil man das Wohl des Ganzen Parteiinteressen unterordnete? Nein, im Gegentheil; die Streichungen oder Zurückstellungen fallen hauptsächlich in die Jahre 1893, 1894 und 1895; das waren jene Jahre, in denen große Steuervorlagen das Haus beschäftigten, über 100 Millionen Mark hinausgehend. Es hat uns damals sehr schwer gehalten, diese Steuervorlagen als überflüssig zurückzuweisen. Wir haben dazu den Etat nach allen Richtungen korrigiren müssen, und dazu hat allerdings auch die Marine durch Absetzungen einen bescheidenen Beitrag liefern müssen. Wir waren der Ansicht, daß, wenn durch solche neuen Steuern — ich erinnere nur an die Tabackfabrikatsteuer — große Industriezweige beeinträchtigt und gestört wurden, das für den Volkswohlstand ein viel größerer Nachtheil sein würde, als ob ein paar Kreuzer einige Jahre später bewilligt werden.

(Sehr richtig!) 

Also nicht einseitige Anschauungen, sondern gerade Unterordnung des einseitigen Marineinteresses unter das Wohl des Ganzen hat uns dazu bestimmt.

(Sehr richtig!)

Meine Herren, wie viel aber ist andererseits bewilligt worden? Herr Dr. Lieber hat dies prozentual nach Schiffen und Geld berechnet, — ich will mich auf die einfachsten Ziffern meinerseits beschränken. In den letzten acht Jahren Kaiser Wilhelms des Ersten hat in diesen Jahren zusammengenommen das Extraordinarium der Marine 107 Millionen, in den ersten acht Jahren des jetzt regierenden Monarchen hat das Extraordinarium der Marine 260 Millionen betragen. Das Extraordinarium der Marine ist also gerade in diesen acht Jahren mehr als verdoppelt worden. Und da wird gesagt, der Reichstag habe beharrlich Verstärkungen der Marine abgelehnt! Gerade in diesen acht Jahren hat sich auch das Ordinarium der Marine erhöht von 37 Millionen auf 57 Millionen, also um mehr als 50 Prozent, die präsente Stärke der Mannschaft hat sich erhöht um 40 Prozent. Wie kann man da sagen, in den ersten acht Jahren sei eine Verstärkung der Marine beharrlich abgelehnt?

Der Herr Reichskanzler hatte ja gar keine Ahnung vorher, daß eine solche Rede gehalten werden würde; der Herr Staatssekretär Tirpitz aber ist in Hamburg zugegen gewesen. Ich nehme an, daß ihm vorher diese Rede nicht mitgetheilt ist; wäre sie ihm mitgetheilt, so würde er meines Erachtens kraft seiner ressortmäßigen Kenntniß der Dinge es verhütet haben, daß mit der Wirklichkeit derart nicht übereinstimmende Behauptungen in Bezug auf die Haltung des Reichstags in jenen acht Jahren aufgestellt worden wären. Es hätte ja auch gar nichts entgegengestanden, dem Minister, der ressortmäßig verantwortlich ist, vorher diese Rede mitzutheilen; denn sie ist ja nicht nachträglich korrigirt worden durch das Zivilkabinet wie sonst wohl, sondern sie ist vorher Wort für Wort festgestellt gewesen. Es wäre ja sonst nicht möglich gewesen, daß sie entweder gleichzeitig oder, wie mir gesagt worden ist, sogar schon früher, als sie gehalten wurde, in die Druckerei des „Reichsanzeigers“ hierher gelangte.

(Hört! hört!)

Herr von Miquel hat gestern gesagt, der Monarch bedürfe keines Rathgebers, um seine Ansichten in Bezug auf die Marine zum Ausdruck zu bringen. Das Vorkommniß in Hamburg, daß mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmende Angaben gemacht worden sind in Bezug auf die Marine, beweist gerade das Gegentheil der Ansicht des Herrn von Miquel.

(Sehr richtig!)

Auch im Reichstag hier hat man ja keinerlei Versuch gemacht, diese retrospektiven Betrachtungen in der Hamburger Rede über die ersten acht Jahre der Regierungszeit zu vertheidigen. Kein Rittersmann, kein Knapp ist aufgetreten

(Heiterkeit),

um den Angriffen des Herrn Dr. Lieber gegenüber wahrzuhalten, was in diesen retrospektiven Betrachtungen angeführt ist.

Der Herr Graf Posadowsky hat gestern gemeint, man solle doch, wenn man es für nöthig halte, Reden des Monarchen hier zur Diskussion zu bringen, sich an die verfassungsmäßig dafür verantwortlichen Minister halten und diesen gegenüber die Kritik zum Ausdruck bringen. Ich bin ganz und gar mit ihm darüber einverstanden; ich bin gern bereit, dem zu genügen; aber zu diesem Zweck muß doch ein verantwortlicher Minister da sein

(sehr richtig! links),

er muß erkennbar sein. In keiner Weise äußerlich ist  aber hervorgetreten, daß irgend einer der Herren Minister bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen für die Rede, von der ich eben gesprochen habe. Der Fürst Bismarck hat einmal gesprochen von dem Auftreten des Monarchen ohne ministerielle Bekleidungsstücke. Nun, wenn die ministeriellen Bekleidungsstücke in solchem Falle nicht vorhanden sind, da können wir doch nicht, wie das Volk in dem bekannten Stück von Ludwig Fulda, erheucheln, daß wir die Bekleidung sehen da, wo sie nicht vorhanden ist.

(Sehr gut! und Heiterkeit.)

Bitter noth thut es, daß, wenn solche Reden, die nachher Minister verantworten sollen, vor der Oeffentlichkeit gehalten werden, sie vorher dem betreffenden Minister zur Kenntniß gelangen, damit er sie in Uebereinstimmung mit seinem eigenen Wissen und mit dem, was zu verantworten er bereit ist, bringen kann.

(Sehr richtig! links.)

Die ganze Art, wie dieser Flottenplan vorbereitet ist, ist so charakteristisch für dieses Regierungssystem, daß man nicht eingehend genug darüber sprechen kann; ich kann mir daher nicht versagen, weil gerade in den Einzelheiten das Charakteristische hervortritt, noch einige Striche dem Bilde hinzuzufügen, welches von anderer Seite bereits gezeichnet worden ist. Wie war es denn? Im September ging das Regierungsprogramm dahin, in dieser Session keine Streitfrage in Militär und Marineangelegenheiten vor den Reichstag zu bringen; man hatte an dem Arbeitswilligengesetz und anderen Gesetzen genug Pensum. Der Herr Reichskanzler war in guter Ruhe am 14. Oktober nach Baden-Baden gereist, in der Absicht, sich späterhin nach Schillingsfürst zu begeben. Die Rede in Hamburg schien auch zunächst nur eine theoretische Bedeutung haben zu sollen. Das dauerte etwa fünf Tage. Da kam der Herr Staatssekretär Tirpitz am 23. Oktober aus Wilhelmshaven zurück; wie man sagt, hatte er den Aufenthalt gegen die ursprüngliche Absicht abgekürzt; und nun veränderte sich das Bild. Am Montag Abend noch verkündete die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ hochoffiziös an der Spitze des Blattes, wie sie zuverlässig mittheilen könnte, werde in diesem Etatsjahr ein Flottengesetz nicht vorgelegt werden.

(Hört! hört! links.)

Binnen 24 Stunden sprang der Wind um.

(Heiterkeit links.)

Der Herr Staatssekretär Tirpitz erlangte einen Vortrag im Neuen Palais in Begleitung des Herrn Grafen Bülow, und sofort wurde urbi et orbi durch das Wolffsche Telegraphenbüreau mitgetheilt, der Herr Staatssekretär reise zu dem Reichskanzler nach Baden-Baden. Die beiden Herrn hatten mit dem Monarchen darüber eine Verständigung erzielt, daß im Gegensatz zu der Ankündigung vom Abend vorher noch in dieser Session ein Flottengesetz vorgelegt werden sollte. Herr Staatssekretär Tirpitz machte sich schon am 25. Oktober auf die Reise nach Baden-Baden, um nachträglich hierzu das Placet des Herrn Reichskanzlers einzuholen. Das ist ja auch eine Eigenthümlichkeit in unseren Zuständen: die maßgebenden Personen sind mehr auf Reisen, als dies sonst üblich war

(sehr gut! und Heiterkeit links);

und wenn ein Beschluß der Regierung erzielt werden soll, so muß ein Herr dem andern nachreisen.

(Sehr gut! links.)

Wir haben gewissermaßen eine Regierung im Umherziehen.

(Große Heiterkeit.)

Indeß, das soll ja schon bei den alten Deutschen der Fall gewesen sein.

(Große Heiterkeit.)

Meine Herren, in welch sekundäre Rolle hat sich in dieser Frage der Herr Reichskanzler zurückdrängen lassen? Wir haben kein Ministerkollegium. Der Herr Reichskanzler ist berufen, allein das einheitliche Reichsinteresse zu vertreten. Das bringt es aber doch naturgemäß mit sich, daß, wenn es sich um Initiativen in wichtigen Dingen handelt, die über ein einzelnes Ressort hinausgehen, dann die erste Verständigung erfolgen sollte zwischen dem Monarchen und dem Reichskanzler

(sehr richtig! links),

und daß dann erst in Frage kommen die übrigen Instanzen. Hier umgekehrt: hier verständigen sich zwei dem Reichskanzler untergebene Staatssekretäre mit dem Monarchen und suchen dann nachträglich sein Placet zu dieser Verständigung nach. Naturgemäß ist der Reichskanzler in diesem Falle schon gewissermaßen präjudizirt, erschwert ist es ihm, eine andere Meinung zur Geltung zu bringen. Der Herr Reichskanzler fügte sich also, er fügte sich auf den Vortrag nur des Herrn Staatssekretärs der Marine; er gab nicht bloß zu der Verständigung seine Zustimmung, sondern auch zur Veröffentlichung des beabsichtigten Flottenplanes, die am Sonnabend den 28. Oktober, drei Tage darauf, erfolgte.

Gestatten Sie mir noch eine Zwischenfrage an die Regierung zu richten: woher ist dieser Plan eigentlich gekommen?

(Sehr richtig! links.)

Ist er im Reichsmarineamt ausgearbeitet gewesen? Er ist ja so detaillirt, so zusammenhängend, schlüssig; er kann deshalb nicht aus der Pistole geschossen sein. Ist er aus dem Marinekabinet dem Reichsmarineamt zur Ausführung überwiesen worden? Die Frage ist nicht ganz überflüssig. Wir haben es ja in der Budgetkommission im Jahre 1896 gesehen. Da kam plötzlich der Herr Admiral Hollmann aus Wilhelmshaven, aus der Umgebung des Monarchen zurück gerade in die Budgetkommission und theilte uns einen Plan mit, die sogenannte Niederschrift, von der man bisher keine Ahnung gehabt hat. In der Kommission wurde widerspruchslos festgestellt, daß, bevor Herr Hollmann diesen Plan der Budgetkommission mitgetheilt hatte, weder der Reichskanzler noch der Schatzsekretär die geringste Kenntniß von diesem Plan hatten.

(Hört! hört! links.)

Unmittelbar an die Veröffentlichung des Planes am 28. Oktober in der „Norddeutschen“ schloß sich nun eine weitgehende Agitation, die von oben her geleitet wurde. Zahlreiche Artikel aus dem Reichsmarineamt in der amtlichen „Berliner Korrespondenz“ suchten diesen Plan noch weiter zu begründen, in seinen Einzelheiten durchzuführen. Der Abgeordnete Bebel meinte, dagegen habe er nichts, wenn man in dieser Weise vorher für ein Programm agitire. Der Abgeordnete Bebel übersieht dabei Zweierlei. Wenn eine Regierung in der Oeffentlichkeit auftritt, soll sie es unter ihrer Verantwortlichkeit und nicht unter offiziöser Maske thun.

(Sehr gut! links.)

Statt dessen sind uns alle diese Mittheilungen gemacht worden unter der Verantwortlichkeit eines Dr. Lauser von der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ und anderer mir unbekannter Herren, die verantwortlich sind für die „Berliner Korrespondenz“. Und dann noch ein Zweites: die Regierung ihrerseits soll wohl dann dazu übergehen, in der Oeffentlichkeit Stimmung zu machen für einen Plan, wenn derselbe innerhalb aller für die Vorbereitung von Gesetzen zuständigen Instanzen festgestellt ist.

(Sehr richtig!)

Hier war das gerade Gegentheil der Fall. Warum denn überhaupt solche Eile? Am Donnerstag giebt der Herr Reichskanzler sein Plazet, 48 Stunden darauf  wird der Plan veröffentlicht in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“. Wozu diese Eile? Das Flottengesetz konnte doch erst im Januar vorgelegt werden, und praktische Bedeutung sollte die ganze Sache überhaupt erst vom Jahre 1901 an erlangen. Ist da etwa auch die von dem Herrn Abgeordneten Bebel gekennzeichnete persönliche Inkarnation der Nervosität wirksam gewesen?

(Sehr gut! und Heiterkeit.)

Wenn das nicht der Fall, was hatte die Sache anders für einen Zweck, als durch vorschnelles Veröffentlichen zu präjudiziren der Entscheidung aller der Instanzen, die zunächst berufen waren, sich darüber schlüssig zu machen?

(Sehr richtig!)

Der Herr Abgeordnete von Kardorff hat gestern auf das Bedenkliche aufmerksam gemacht, die deutschen Fürsten, die man früher sogar brieflich lange vorher über die Absichten der Reichsregierung verständigte, zu übergehen und ihnen erst nachher von den Absichten Kenntniß zu geben. Nun soll allerdings nachher Herr Tirpitz umhergereist sein bei den Höfen, um seinen Plan klar zu stellen. Aber das geschah, nachdem aus den Zeitungen der ganze Plan schon erläutert und zu begründen versucht war. Die Geschäftsordnung, welche nach meiner Kenntniß Fürst Bismarck dem Bundesrath gegeben hat, bestimmt, daß, wenn große Gesetze vorbereitet werden sollen, vor dem Beginn ihrer Ausarbeitung das Programm des Gesetzes im Bundesrath festgestellt wird unter Zuziehung der leitenden Minister der Einzelstaaten.

(Hört! hört! links.)

Davon nimmt man hier nicht das Geringste wahr. Der Herr Reichskanzler hat neulich eine Erklärung abgegeben namens der verbündeten Regierungen. Wenn man aber näher zusieht, ist namens der verbündeten Regierungen nur die Absicht erklärt worden, den Sollbestand der Schiffe demnächst wesentlich zu vermehren. In allem Uebrigen — das hat er wörtlich gesagt —, was also die Verdoppelung der Schlachtflotte u. s. w. angeht, hat sich der Bundesrath seine Entschließung vorbehalten. Und wie konnte er auch anders? Denn ihm war bis dahin nicht mehr mitgetheilt, als was seine einzelnen Mitglieder schon vorher in den Zeitungen gelesen hatten.

Man kann nun sagen: warum wir uns so bemühen, daß der Bundesrath zu seinem Recht kommt? Nun, man hat es uns immer so dargestellt, daß der Bundesrath die eigentliche Reichsregierung sei, und wir deshalb kein verantwortliches Ministerkollegium im Reiche bekommen könnten, weil die Reichsregierung des Bundesraths dem entgegenstände. Wenn aber die Gefahr vorläge, daß der Bundesrath zu einer bloßen Registrirbehörde herabgedrückt wird des Willens von oben

(sehr gut! links),

dann sind wir um so mehr verpflichtet, die frühere Forderung wieder aufzunehmen nach verantwortlichen Ministern, nach einem Ministerkollegium. Wir verlangen, daß solche weitgreifenden Pläne hervorgehen aus ruhigen, eingehenden Berathungen und Verständigungen eines Ministerkollegiums mit dem Monarchen, und daß sie nicht inszenirt werden nach den Direktiven von bloßen Trinksprüchen und Festreden.

(Sehr richtig! links.)

Das ist es, was uns „bitter noth thut“ in Deutschland

(sehr richtig! und Heiterkeit),

weit mehr als einige neue Schlachtschiffe. Wir wollen eben keine Kabinetsregierung, weil wir in Preußen aus der Geschichte wissen, wie viel Unheil schon dadurch gestiftet ist.

(Sehr richtig!)

Selbst ein Mann, der politisch so weit von uns entfernt steht, wie Herr von Kardorff, konnte sich doch gestern nicht der Bedenken entschlagen, ob wir uns nicht schon auf dem  Wege zu einer solchen Kabinetsregierung befinden, ob sich nicht schon die Ministerverantwortlichkeit in der Weise zu verflüchtigen beginne, daß sie sich nur beschränkt aus dasjenige Maß von Verantwortlichkeit, was auch die Minister in absoluten Staaten in früheren Jahrhunderten hatten, nämlich durch ihre Unterschrift nur zu beglaubigen, was der Fürst will oder nicht will.

(Sehr richtig! links.)

Wenn ich bloß vom Standpunkte des Parteimannes die Entwicklung der Dinge betrachten wollte, so könnte ich ja nur eine große Genugthuung darüber empfinden, daß es genau so gekommen ist, wie wir den Herren, als sie zur Annahme des Flottengesetzes schritten, vorausgesagt haben. Sie glaubten, nun würden Marinedebatten ausbleiben, man würde Ruhe haben damit, wenigstens 5, 6 Jahre hindurch. Das gerade Gegentheil ist eingetreten.

(Sehr richtig! links.)

Die Marinefrage beherrscht die ganze politische Situation, schon im zweiten Jahre die ganze Etatsdebatte. Die Gegensätze stellen sich nun erst recht scharf heraus. Sie hatten geglaubt, die Dinge durch eine Bindung festlegen zu können; die Bänder sind zerrissen, die Bindung hat sich nicht bewährt. Sie haben geglaubt, die Pläne uferfest zu machen; aber wie ich damals Ihnen sagte, wird es bald heißen: Volldampf voraus! Ermuthigt durch die Nachgiebigkeit des Reichstags wird man bald mehr verlangen und in weitere Meere hinausfahren wollen nach sehr entfernten Ufern.

Indessen noch ein Kapitel zur Entstehungsgeschichte dieser Pläne habe ich vergessen zu erwähnen; dasselbe ist erst vorgestern enthüllt, mehr zufällig im Laufe der Verhandlungen. Der Herr Abgeordnete Bebel sagte: die Geschäftspatrioten hätten die Führung in der Agitation gehabt für die Flotte, hätten geschoben. Der Herr Staatssekretär Tirpitz verstand dies falsch und verwahrte sich dagegen, daß er sich hätte von diesen Geschäftspatrioten schieben lassen. Das war ein Mißverständniß.

(Heiterkeit. Sehr gut! links.)

Aber bei dieser Gelegenheit machte der Herr Staatssekretär Enthüllungen, die ein neues Licht auf die Entstehungsgeschichte geworfen haben.

(Sehr richtig! links.)

Er erzählte uns, daß man im April d. J. in der Regierung sich klar gemacht hat, der Flottenplan müsse erweitert werden; darauf, erzählte er, sei er im Mai, April umhergereist, bei den Industriellen, Werften u. s. w. und habe in ganz diskreter Weise diesen Herren mitgetheilt, was die Regierung vorhabe, und ihnen anheimgestellt, sich in ihren Werfteinrichtungen u. s. w auf diese Pläne der Regierung einzurichten.

(Hört! hört! links.)

Da liegt nun der Schlüssel für den Beginn der Agitation der Geschäftspatrioten

(sehr gut! links);

genau um dieselbe Zeit hat in allen von diesen Herren ressortirenden Organen eine Agitation begonnen für die Erweiterung der Flotte, für die Vermehrung der Neubauten u. s. w. Natürlich, die Herren hatten die Absichten der Regierung kennen gelernt — was lag ihnen in ihrem Geschäftsinteresse näher, als ein bischen nachzuhelfen

(sehr gut links),

den Stein ins Rollen zu bringen, die Agitation dafür in Gang zu bringen!

(Hört! Hört! links.)

Lesen Sie jetzt die Blätter, so verstehen Sie, warum vom Mai und Juni ab alle diese Blätter fast Tag für Tag Artikel brachten: so könne es nicht fortgehen, man müsse die Ersatzbauten sämmtlich sofort vornehmen, man müsse die Neubauten vermehren. Die politischen Parteien hatten damit gar nichts zu thun. Als hier der Nachtrag zum Marine-Etat im Mai-Juni auf der Tagesordnung stand, kein Mensch sprach ein Wort von der Beschleunigung der Schiffsbauten! Die „Kreuzzeitung“ war auf der richtigen Fährte; anfangs Juni schrieb nämlich die „Kreuzzeitung“:

Wer ein wenig hinter die Kulissen sieht, der gewahrt, daß den Schiffsbauinteressenten in Deutschland schon jetzt bange vor der Zukunft wird. Sie fürchten dem blanken Nichts gegenüberzustehen, sobald die nach dem festgelegten Flottenplan in Auftrag gegebenen verschiedenen Kriegsschiffe vom Stapel gelaufen sind, da neue Aufträge nicht in Aussicht stehen. Mit fieberhaftem Eifer suchen sie deshalb im Volke und im Parlament Stimmung zu machen für eine im jetzigen Tempo anhaltende Vermehrung unserer Kriegsflotte.

(Hört! hört! links.)

Der Mittellandkanal, wenn er bewilligt wird, kann den großen Schiffswerften natürlich keinen Ersatz bieten, da er nur kleiner Schlepper und einfacher Lastkähne bedarf. Soviel wir sehen, herrscht aber in maßgebenden Kreisen vorläufig wenig Neigung, unseren Werften neue Aufträge über das von den verbündeten Regierungen verlangte Maß hinaus zu erwirken.

Die „Kreuzzeitung“ wußte eben nicht, daß damals schon Herr Tirpitz umhergereist war und in diskreter Weise

(sehr gut! links)

den Herren mitgetheilt hatte, daß demnächst neue und größere Aufträge kommen.

Nun diese Agitation! Herr Krupp kaufte die „Berliner Neuesten Nachrichten“ an

(hört, hört! links)

und machte Herrn Schweinburg zum Geschäftsdirektor derselben, — denselben Herrn, der zugleich Sekretär des Flottenvereins war, denselben Herrn, der die „Berliner Politischen Nachrichten“, dieses Sprachrohr des Herrn von Miquel, besitzt. Herr von Zedlitz schrieb auch in diesem Sinne; er ist der Freund des Herrn Schweinburg, er wußte auch ebenso wie Herr Schweinburg, was in diskreter Weise Herr Tirpitz den Schiffsbauindustriellen mitgetheilt hatte.

(Sehr gut! links.)

So ging der Spektakel denn los, das, was man als Volksbewegung

(sehr gut! links),

Begeisterung für die Flotte darzustellen suchte. Dann kamen ein paar stille Wochen. Im September ein neuer Anlauf! Das wäre das Nothwendigste, womit sich der Reichstag zu befassen hätte — hieß es —, eine Vermehrung der Schiffe, die auf den Stapel zu legen seien. Der letzte Artikel, den Herr von Zedlitz noch in der „Post“ geschrieben hat, bevor seine Honorarrechnung im „Vorwärts“ veröffentlicht wurde

(Heiterkeit links),

enthält die Aufforderung an die Regierung, doch alsbald vorzugehen. In derselben Art ging es dann fort im Organ des Herrn Krupp, in den „Berliner Neuesten Nachrichten“. Wäre es wunderbar, wenn diese Preßstimmen nun auch an die für das neue Programm maßgebende Stelle gedrungen wären, dort den Irrthum erregt hätten, als ob hier ein stürmisches Verlangen des Volks und nicht ein Geschäftspatriotismus zum Grunde läge? So haben gerade die neuen Enthüllungen des Herrn Tirpitz uns ein interessantes Kapitel zur Vorgeschichte der Flottenfrage enthüllt.

(Sehr wahr! links.)

Ich sagte also vorhin, uns könnte es ja zur Genugthuung gereichen, daß die Dinge sich so entwickelt haben, wie wir es voraussahen, wenn wir nur Parteimänner  wären. Aber das muß ich doch sagen, so hätte ich es auch nicht erwartet, daß schon nach anderthalb Jahren alles das so kommen werde, wie wir es damals vorausgesagt haben.

Der neue Flottenplan ist uns ja amtlich noch nicht weiter bekannt. Der Herr Reichskanzler sagt, die Schlachtflotte soll verdoppelt werden. Das heißt also: statt 19 Linienschiffe 40! Die großen Auslandskreuzer sollen verdoppelt werden. Wie viel das an großen Kreuzern macht, wie viel namentlich an Kleinkreuzern vermehrt werden soll, wie weit dies wieder die Vermehrung der Torpedoflotte zum Gefolge hat, das ist uns nicht bekannt; man kann es höchstens einigermaßen aus den begleitenden amtlichen Artikeln der „Berliner Korrespondenz“ ersehen.

Der Herr Schatzsekretär muß aber einen genaueren Plan kennen, denn sonst hätte er nicht spitz auf eine Million, auf 783 Millionen Anleihe beispielsweise eine Rechnung ausmachen können. Es scheint, als ob manche Herren hier meinen, daß die Neubauten, die Vermehrung des Sollbestandes, nicht mehr als 783 Millionen kosten. Das ist aber ein Irrthum; denn zu den 783 Millionen auf Anleihe kommt das hinzu, was aus laufenden Mitteln für Neubauten nach Maßgabe der bisherigen Finanzirung aufgewandt würde; denn zwei Drittel der ganzen Artillerie und Torpedoausrüstung — das kostet sehr viel! — werden nach den geltenden Grundsätzen aus laufenden Mitteln bestritten, und außerdem sollen; aus laufenden Mitteln 5 Prozent des Werthes der vorhandenen Schiffe alljährlich für Neubauten und Ersatzbauten verwendet werden.

Der Herr Schatzsekretär hat bei dem Flottengesetz von 1898 uns ausgerechnet, was durchschnittlich das Flottengesetz jährlich an Mehrausgaben verursache; er kam dabei auf einen Betrag von 25 Millionen. Schade, daß er diese Durchschnittsrechnung nicht auch jetzt aufgestellt hat. Die laufenden Ausgaben sollen sich also im ersten Jahre erhöhen um 9 1/2 Millionen, im zweiten Jahre also bis auf 19 Millionen, und stellen sich die Ziffern im dritten Jahre auf über 28 Millionen. Zuletzt würden wir auf 153 Millionen herauskommen. Diese 153 Millionen bedeuten also das Plus der Mehrausgaben für unsere Marine, allerdings nicht bloß der fortdauernden Ausgaben des Marine-Etats. sondern auch der anderen fortdauernden Ausgaben als Zinsen u. s. w. Ein Freund — ich habe nicht die Zeit gehabt — hat mir nun die arithmetische Reihe berechnet, was an Mehrkosten im Extraordinarium und Ordinarium zusammengenommen dieser Flottenplan bringt, und ist dabei auf eine Summe von 2057 Millionen gekommen. Das ist also der Anleihebetrag und die Summe der Jahressteigerungen in 16 Jahren.

(Hört! hört! links.)

Also mehr als 2 Milliarden! Nach der Durchschnittsberechnung, die der Herr Schatzsekretär für das geltende Flottengesetz aufstellt, kommt eine jährliche durchschnittliche Mehrbelastung nicht von 25 Millionen, sondern von 125 Millionen heraus.

(Hört! hört! links.)

Der Herr Schatzsekretär, der ist glücklich zu preisen. Er ist so heiter, so fröhlich angelegt

(Heiterkeit),

wie ich keinen Schatzsekretär kennen gelernt, und ich habe schon so viele im Laufe der Jahre kommen und gehen sehen. Der Himmel hängt ihm stets voller Geigen.

(Heiterkeit.)

Soviel schwere Belastungen dem Schatze auch auferlegt werden, was gemacht werden kann, wird gemacht.

(Heiterkeit.)

Es wird sich ja alles finden; damit beruhigt er sich im wesentlichen. Er hat eben noch keine schweren Jahre durchgemacht.

(Sehr gut! links.)

Er ist in einer günstigen Zeit ins Amt gekommen unter aufsteigenden Konjunkturen. Aber wer 4 oder 5 Jahre zurückdenkt, der weiß, wie wir beschworen, bedrängt wurden von all den Herren Finanzministern bis zum meiningischen herunter

(Heiterkeit),

sie könnten ohne neue Steuern gar nicht weiter wirthschaften, es sei ganz unmöglich, mit den laufenden Einnahmequellen auszukommen.

Nun, Herr Freiherr von Thielmann sagt: ich habe ja 50 Millionen in meinem Etat jetzt mehr an Zöllen und Verbrauchssteuern gegen das Vorjahr veranschlagt; wenn ich in jedem Jahre mehr 50 Millionen veranschlagen kann, was ist da ein Betrag von 9 1/2 oder 10 Millionen? die werden sich innerhalb der 50 Millionen auch noch finden lassen. Ja, ist denn diese Zuversicht auf die fortgesetzte Steigerung der Einnahmen aus Zöllen und Verbrauchssteuern eine begründete? Wichtiger als die Anschläge ist die Wirklichkeit, ist das rechnungsmäßige Ergebniß. Und da muß ich denn doch hervorheben, daß nach den Abschlüssen der ersten 7 Monate des laufenden Jahres das Plus gegenüber dem Vorjahre bei sämmtlichen Zöllen und Verbrauchssteuern noch nicht 1/2 Million Mark beträgt.

(Hört! hört! links.)

Wenn Sie das vergleichen mit dem Plus, welches das Vorjahr hatte um dieselbe Zeit gegen dieselben Monate des Vorvorjahres, so werden Sie finden, daß damals schon ein Plus von über 36 Millionen erzielt war, dem heute nur ein Plus von einer halben Million gegenübersteht.

(Hört! hört! links.)

So ist die aufsteigende Bewegung auf der Treppe verlangsamt worden seit dem vorigen Jahre. Aber wenn die Einnahmen aus den Zöllen und Verbrauchssteuern sich erheblich steigern, so vergessen wir doch nicht, daß nach der clausula Franckenstein, nach der Absicht der Gesetzgebung den ersten Anspruch die Einzelstaaten haben sollen

(sehr richtig! links)

auf diese steigenden Einnahmen aus den Ueberweisungssteuern. In dem Maße, in dem ihnen das unmöglich gemacht wird, werden die Einzelstaaten gedrängt, ihre Steuerquellen schärfer auszunutzen, ihre Einnahmen aus den Verkehrsanstalten höher zu gestalten.

Und dann, meine Herren, wie verschieden sind die Anschläge von der Wirklichkeit? Woher kommt denn gerade in diesem Jahre der günstige Anschlag? Aus der Schablone der Durchschnittsberechnung, die uns in diesem Jahre besonders günstig ist. Nach den vorhergehenden 24 Monaten im Durchschnitt werden die Einnahmen veranschlagt, bei den Getreidezöllen nach 36 Monaten im Durchschnitt. Nun ist diesmal in diesem Durchschnitt das Jahr 1898 mit vollen 12 Monaten enthalten, jenes so besonders günstige Jahr für die Reichsfinanzen. Im vorigen Jahre war es das Jahr 1897, ein stagnirendes Jahr, daher wesentlich das andere Resultat in den Anschlägen! Das Jahr 1898 war so günstig wegen der besonders starken Getreideeinfuhr; man fand die Vorräthe mehr erschöpft, als man glaubte, die vorherigen Ernten waren ungünstiger, und daher die starke Einfuhr. Nach der Durchschnittsberechnung macht dieser Unterschied bei den Getreidezöllen ein Plus aus in dem Etatsanschlag von 20 Millionen Mark

(hört! hört! links);

und es ist ein eigenthümlicher Zufall, daß in den 7 Monaten dieses laufenden Jahres die Einnahme aus den Getreidezöllen gerade um 20 Millionen zurückgegangen ist.

(Hört! hört! links.)

Gerade auf zurückgehenden Einnahmen baut sich also nach der Schablone, nach der Kalkulatur des Durchschnitts, das Mehr aus den Zöllen und Verbrauchssteuern auf.

Ist es denn auch eine normale Erscheinung, daß wir zur Ausgleichung des Defizits einer Anleihe von 76 Millionen Mark bedürfen? Wenn in der Zukunft wirklich die Einnahmen sich steigern, muß es dann nicht das erste Bestreben sein, auch den Anleihebedarf für das Reich zu vermindern, den Anleihebedarf, der ohne den Flottenplan sich schon derart hoch stellt?

Weiter, meine Herren: ist denn die Marine allein derjenige Faktor in der Verwaltung, der Anspruch erheben kann auf Erhöhung des Ausgabe-Etats? Man spricht von der natürlichen Steigerung der Einnahmen — aber findet nicht ebenso eine natürliche Steigerung der Ausgaben statt?

(Sehr richtig! links.)

Der Herr Minister von Miquel hat erwähnt, daß um 600000 Köpfe sich jährlich die Bevölkerung des Reichs vermehrt. Ganz recht! Mit der Vermehrung der Bevölkerung aber vermehren sich ja naturgemäß auch alle Ausgaben in der Reichsverwaltung, ganz abgesehen von den neu hinzukommenden Bedürfnissen. Das ist das Charakteristische in der jetzigen Politik, daß der Blick fast hypnotisirt ist auf die Marine (sehr richtig! links), daß man Macht, Kultur, Wohlstand einzig und allein für abhängig erblickt von der Vermehrung der Flotte, von der Steigerung des Marine-Etats, und daß dagegen alle übrigen Bedürfnisse weit zurücktreten.

(Sehr richtig! links.)

Navigare necesse est, vivere non necesse — darin findet dieser einseitige Standpunkt seinen Ausdruck.

(Sehr richtig! links.)

Meine Herren, das Leben ist sehr vielgestaltig und stellt Anforderungen nach allen Seiten, und nicht nur die Schifffahrt, sondern noch viele andere Bedürfnisse erheischen ihre Befriedigung. Gerade jetzt wäre für den Herrn Staatssekretär Gelegenheit gewesen, nun einmal zusammenzustellen, welche anderen Ausgabebedürfnisse in der nächsten Zeit eine Steigerung verlangen. Da ist die fortgesetzte Erhöhung des Zuschusses für die Invaliditätsversicherung. Ich weiß nicht, ob schon berechnet ist, wie weit das neue Gesetz eine Steigerung der Zuschüsse des Reichs mit sich bringt. Da ist die fortdauernde Steigerung der Pensionsfonds, namentlich der Militärpensionen. Dazu kommt die Erhöhung der Schuldzinsen mit jedem Jahr, auch abgesehen von den neuen Marineanleihen; denn schon in ihrem jetzigen Bestand bedarf die Marine einer Anleihe von 40 Millionen in diesem Etatsjahre, um ihre Ausgaben etatsmäßig zu erfüllen. Und dann weiter der Militäretat! Im Vorjahre hat man eine Erhöhung der Präsenzstärke bewilligt, die bis 1903 eine Steigerung der Militärausgaben im Ordinarium bis zu 28 Millionen bedingt. Hiervon sind erst 14 Millionen auf unserem Etat erschienen; 14 Millionen haben wir also noch in den Etats nach 1900 zu erwarten. Abgesehen aber von dem, was im neuen Etat aus dem Quinquennatsgesetz steht, sind noch weit höhere Positionen im neuen Etat, die auch wieder für die Zukunft Ausgaben nach sich ziehen. Da hören wir, daß die neue Munition der Feldartillerie 5 Millionen Mark mehr kostet als die bisherige. Der volle Betrag hierfür steht auch noch nicht auf dem Etat. Da erfahren wir, daß jetzt eine volle Jahresquote bei den Handwaffen ersetzt werden soll. Auch das bringt Mehrausgaben, die noch nicht vollständig auf diesen Etat gesetzt sind. Dazu die Zulagen für diejenigen, die freiwillig ein drittes Jahr dienen. Auch diese Summen erscheinen erst zur Hälfte in diesem Etat, zur weiteren Hälfte werden sie erst später erscheinen.

Und nun das Extraordinarium. Vergegenwärtigen wir uns doch, wie die finanzielle Entwicklung sich stellt. Im Jahre 1897 die großen Kredite zur Umgestaltung der Feldartillerie im Gesammtsbetrage von 144 Millionen Mark! Im Jahre 1898 das neue Flottengesetz! Als das neue Flottengesetz berathen wurde, ließ man durchaus nicht erkennen, daß im nächsten Jahre ein Quinquennatsgesetz vorgelegt werden würde, das wieder viele Millionen mehr erfordern würde. 1899 erschien dieses Quinquennatsgesetz, das an extraordinären Ausgaben 133 Millionen Mark h verlangt, von denen auch erst zwei Raten in unserem Etat erschienen sind. Als man das Quinquennatsgesetz berieth, wurde es als nicht ernsthaft bezeichnet, daß man an eine Erweiterung des Flottenplanes denken könne. Kaum ist das Quinquennatsgesetz unter Fach gebracht, so erscheint der neue Flottenplan. Umschichtig in einem Jahre zu Lande und dann zu Wasser und dann wieder zu Lande und jetzt wieder zu Wasser werden große Kredite verlangt.

(Sehr richtig! links.)

Und so steigern sich die Ausgaben, die namentlich für das Extraordinarium überaus schwer ins Gewicht fallen. Der Herr Staatssekretär Freiherr von Thielmann in seiner heiteren Gemüthsart

(Heiterkeit)

meinte 1898, als uns das Flottengesetz beschäftigte: was kann da sein, die Artilleriekredite laufen bald ab; jetzt habe ich zwar noch 42 Millionen darauf stehen, in den nächsten Jahren wird es erheblich weniger sein, und nach 1900 ist der Kredit überhaupt erschöpft. Sehen Sie, meine Herren, so sprach er: damit ist ja schon der Platz frei für das neue Flottengesetz, das geht alles ganz glatt; da ist eine Lücke, in die ich die neun Millionen des Flottengesetzes bloß hineinzuschieben habe. Als aber das Jahr 1899 kam, und die Millionen aus dem Flottengesetz hineingeschoben werden sollten, da blieb der Herr Kriegsminister auf diesem Platze sitzen und sagte: wenn auch der Artilleriekredit sich vermindert hat, so habe ich doch jetzt andere Kredite nothwendig. Die 133 Millionen für das neue Quinquennatsgesetz haben zunächst Anspruch aus den freien Platz, den die Artilleriekredite gelassen. Die Artilleriekredite nahmen 1899 gegen das Vorjahr nur um 16 Millionen ab; aber 48 Millionen war die Rate, die aus dem Quinquennatsgesetz auf den Platz gelegt wurde. In diesem Jahre nimmt die Rate des Artilleriekredits wiederum um 16 Millionen ab; aber es wird auch nichts frei für das Flottengesetz, denn nun verstärkt man den Festungsbaufonds von 10 auf 20 Millionen

(hört! hört! links)

und schiebt noch einen neuen Fonds von 9 Millionen hinzu für „die weitere Beschaffung der Fußartillerie“: ein sehr dunkler Posten, von dem wir auch nicht wissen, was dahinter steckt. Die Forderungen für den Festungsbau haben auch das Eigenartige, daß, wenn ein Kredit dafür beinahe erschöpft ist, wieder ganz neue Beträge sich ansetzen und den Kredit erhöhen. Sodann erscheint eine Position in diesem Etat: 600 000 Mark zu erweiterten Versuchen mit Handfeuerwaffen! Ist das etwa das Vorzeichen, daß wir demnächst wieder neue Gewehre anschaffen werden?

(Hört! hört! links.)

Die würden mehrere Dutzende von Millionen kosten. Sollen wir mit dieser Thatsache auch wieder rechnen gegenüber den Ansprüchen, die sonst in den nächsten Jahren an das Extraordinarium und an die Finanzen erhoben werden.

Dazu nun, meine Herren, die steigenden Ausgaben im Extraordinarium für die Kolonien. Kein Wunder! Die Kolonialpolitik wächst ja auf demselben Boden hervor, auf dem auch die Vermehrung der Flotte emporsprießt.

(Sehr richtig! links.)

Kiautschou, der berühmte Platz „an der Sonne“

(Heiterkeit links),

kommt uns recht theuer zu stehen, die Millionen zerfließen dort wie die Butter.

(Sehr gut! und Heiterkeit links.) 

Ich hätte gewünscht, daß man uns über die Gesundheitsverhältnisse daselbst beruhigendere Nachrichten hätte gegeben. Die Briefe, die ich zuverläßlich von Angehörigen dort erhalten habe, sind so erschreckender Natur, daß ich mich gescheut habe, sie bisher irgendwie in der Oeffentlichkeit zu vertreten.

(Hört! hört! links.)

Indessen will ich diese Frage hier nicht hereinziehen; sie ist auch so umfangreich, daß sie einer ganz besonderen Erörterung im hohen Hause bedarf, und ich möchte deshalb wünschen, daß die Kiautschoutitel nicht gleich in die Kommission gegeben werden, sondern uns Gelegenheit gegeben wird, über die dortigen Verhältnisse zunächst hier ausführlich zu sprechen.

Abgesehen von den 10 Millionen für Kiautschou, sind 1898, nachdem Herr von Buchka die Kolonialabtheilung übernommen hat, die Zuschüsse für die anderen Kolonien verdoppelt worden und in. diesem Etat nun auf 22 Millionen gestiegen. Natürlich, wenn man erst anfängt Eisenbahnen zu bauen, was kann da nicht alles geschehen! Afrika ist sehr groß.

(Heiterkeit links.)

Von der südwestafrikanischen Bahn erfahren wir, daß sie jetzt 13 Millionen kostet. Ursprünglich war sie nur ganz bescheiden als Eselbahn gedacht. Der Direktor der Bauarbeiten, Oberstleutnant Gerding, hat in einer Denkschrift entwickelt: was kann uns überhaupt die Bahn für sich allein nutzen? was kann es nutzen, daß wir damit rascher von Swakopmund nach Windhoek kommen, wenn es so lange dauert, bis man von Deutschland nach Swakopmund kommt? Mit den Woermanndampfern braucht man ja 30 Tage; wozu 30? Das könnte in 16 Tagen gemacht werden, wenn wir eigene Reichsdampfer zwischen Deutschland und Swakopmund hätten. Dann sagt er: die Hafenanlagen und Molen sind sehr schlecht; was nützen uns die schnelleren Dampfer, wenn sie 8 Tage liegen müssen, bevor gelandet werden kann? — Sie sehen, meine Herren, eins zieht das andere nach. Diese Gegenden sind so miserabel, daß ein Projekt mit dem anderen neue Millionen als Konsequenz fordert.

Dann die Usambaraeisenbahn! Ja, man hat jetzt den ersten Anschlag gemacht. Was kommt dabei heraus? Sie kostet mehrere Millionen, aber man rechnet dabei heraus einen Ueberschuß von 2000 Mark. Uns wurde gesagt, die Rentabilität der Usambarabahn gründet sich allein schon auf die großen Kaffeeplantagen. Das wird also eine Kaffeebahn, wie man sie in Brasilien auch sehr vielfach findet. Nun ist der Kaffeetransport im Eisenbahnetat besonders veranschlagt, was ich dankbar bemerke: der Kaffeetransport bringt 7000 Mark im Jahre.

(Hört! hört! links.)

Nun hat man aber keine Ruhe, man will schon jetzt vorarbeiten, um diese Usambarabahn bis Mombas fortzusetzen. Dazu kommt nun die ostafrikanische Zentralbahn. Herr Dr. Sattler freilich findet daran nur auszusetzen, daß man bloß für Vorarbeiten 100 000 Mark verlangt und nicht gleich die erste Baurate noch mit einsetzt. Wir haben schon gehört, daß das Andrängen des Kolonialsports auf das Reichsschatzamt so viel Eindruck macht, daß es sich zu der etatstechnisch ungeheuerlichen Maßnahme versteht, in demselben Jahre mit einem Nachtragsetat noch eine Baurate hinter die Rate für Vorarbeiten einzustellen. Da scheint denn endlich auch dem Zentrum die Geduld über diese Art der Kolonialpolitik auszugehen, und ich notire es, daß Herr Dr. Lieber ausdrücklich bemerkt hat, so weit könnten sie die Sache nicht mitmachen, höchstens bis zu den Vorarbeiten, man müsse erst sehen, was dabei herauskommt. Die ersten Afrikaforscher, Schweinfurth, Hans Meyer, protestiren gegen den Bau und bestreiten die Rentabilität aufs äußerste. Man  beruft sich dagegen auf die Kongobahn. Aber gerade die Rechnung über die Kongobahn ist lehrreich. Sie ist auf 26 Millionen veranschlagt gewesen und hat 60 Millionen gekostet, und wenn diese Zentralbahn in ihrer ganzen Ausdehnung nach den Seen ausgeführt wird, wie sie beabsichtigt ist, d. h. in einer Länge, die in Deutschland von Eydtkuhnen bis Basel reichen würde

(hört! hört! links),

so würde sie, nach den Kosten der Kongobahn berechnet, 252 Millionen Mark kosten; das ist gerade so viel, wie der Rhein-Elbe-Kanal. Meine Herren von der Rechten, werden Sie da auch sparsam sein, wie Sie sparsam sind gegenüber dem Rhein-Elbe-Kanal? Elfenbein und Kautschuk allein machen in Afrika keine Bahn rentabel. Solange Sie nicht Gold und Diamanten gefunden haben, nützen Ihnen Bahnen in Afrika überhaupt nichts, sondern sie bleiben immer Militärbahnen, wie es dort ja mehrere giebt. Die Kongobahn ist bestimmt, Stromschnellen zu überwinden, und an den Endpunkt dieser Bahn schließt sich ein glatter Strom von 1200 Kilometer Länge. Wo ist Aehnliches an dem Endpunkt dieser Zentralbahn zu vergleichen? Nun sagt man, wir wollen zunächst nur bis Mrogoro — wer kann all die afrikanischen Namen aussprechen? — bauen. Das kennt man, meine Herren; ist sie erst bis dahin genehmigt, dann heißt es: es ist ja kein Wunder, daß sie nicht rentirt, — sie muß weiter geführt werden. So ist es ja auch bei der Usambara-Bahn. Wenn erst die erste Strecke bewilligt ist, alles andere findet sich später von selbst.

Es hat ja ein Konsortium von Bankiers gegeben, diese haben einmal 100 000 Mark für Vorarbeiten für die Zentralbahn ausgegeben; natürlich wollten sie sie nicht auf eigene Kosten bauen, sie rechneten auf eine Reichsgarantie, wenn auch nicht in voller Höhe des Reichszinsfußes, so doch vielleicht von 2 oder 2 ½ Prozent. Das ist nun bezeichnend: dieses Bankkonsortium, das schont 100 000 Mark für Vorarbeiten ausgegeben und einen gewissen Anspruch auf die Konzession erlangt hat, zieht sich jetzt völlig zurück und will auch nicht 1/2 Prozent Zinsen daran riskiren, auch bei einer Reichsgarantie nicht, wenn sie nicht dem Zinsfuß der Reichsanleihen gleichkommt. Diese Herren vom Bankkonsortium sagen meines Erachtens mit vollem Recht: die Zeitverhältnisse sind für solche Unternehmungen nicht günstig. Ich bin überhaupt der Ansicht, es gab seit Dezennien keine Zeit, die es so wenig begünstigte, von reichswegen große Kapitalanlagen zu machen, wie die jetzige.

(Sehr richtig! links.)

Die Privatwirthschaft in Deutschland erheischt bei der großartigen Umgestaltung aller Produktionsverhältnisse durch die Elektrizität überall in der Landwirthschaft und Industrie so viel neues Kapital, daß wahrlich das Reich keine Ursache hat, überflüssigerweise noch besondere Konkurrenz zu machen mit seinen Kapitalforderungen. Der hohe Zinsfuß rührt nicht von der Goldwährung, sondern von der Kapitalnoth her, und die wollen wir nicht steigern durch Ansprüche des Reichs, weder für afrikanische Bahnen noch für Vermehrung der Flotte.

Nun sucht noch Herr Tirpitz die Arbeiter für sich zu gewinnen, indem er darauf hinweist, daß durch die Flottenvermehrung die Arbeitsgelegenheit vermehrt wird. Fehlt es denn gegenwärtig an Arbeitsgelegenheit? Ueber die Leutenoth klagt man ja in der Landwirthschaft und auch in der Industrie schon mehr und mehr. Hat man nun eine Veranlassung, diese Nachfrage nach Arbeitern noch mehr zu steigern, namentlich für Afrika? Man thut überhaupt so, als ob man diese Millionen für die afrikanischen Bahnen, für die Flotte gewissermaßen aus der vierten Dimension griffe.

(Heiterkeit.)

Sie müssen doch aus den Ersparnissen des Volks genommen werden, und wo man sie wegnimmt, werden sie nicht mehr verwendbar für andere Zwecke, und es vermindert sich dadurch die Nachfrage nach Arbeitern an einer anderen Stelle. Es handelt sich also hier nur um eine andere Placirung von Kapital, nicht um eine Vermehrung von Kapital, die eine andere Mehrarbeit schafft. Und nun insbesondere die vermehrte Nachfrage, die geschaffen wird für Eisenbahnen und für die Flotte für die Eisenindustrie. In der Eisenindustrie fehlt es wahrlich nicht an Aufträgen. Die großen Unternehmer natürlich können nicht Aufträge genug bekommen, denn ihr Unternehmergewinn steigert sich ja um so mehr; aber die gesammte Eisenindustrie hat gar nicht das Interesse daran. Es besteht eine Eisennoth schon gegenwärtig; man kann jetzt schon aus Mangel an Material die Lieferfristen nicht mehr einhalten für die Bergwerke, Kleinbahnen und die Kleineisenindustrie. Zu uns kommen die Klagen, daß unser Export gefährdet ist, weil man die Aufträge nicht ausführen kann, weil es an Material fehlt, — und da will man nun noch gerade jetzt noch eine vermehrte Nachfrage nach Eisen durch neue Eisenbahnen und neue Schiffsbauten hervorrufen.

(Sehr gut!)

Meine Herren, wenn ich mir das alles vergegenwärtige: die Forderungen, die die nächsten Jahre stellen werden an das Reich, abgesehen vom Flottenplan, wenn ich hinzufüge die Ausgaben für das Militär, Kolonien u. s. w., so ist es für mich klar, daß, wenn wir nicht immer tiefer in eine Verschuldung des Reichs hineingerathen sollen, wir nothwendig zu neuen Steuern gedrängt werden.

(Sehr richtig!)

Herr von Miquel sagte gestern: nein, das werde nicht eintreten — soweit man in die Zukunft schauen kann, setzte er vorsichtigerweise hinzu.