Eugen
Richter gegen die Bismarckehrung
Reichstag, 23. März 1895
Präsident:
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Richter.
Abgeordneter
Richter: Meine Herren, namens der freisinnigen
Volkspartei und zugleich der deutschen
Volkspartei habe ich folgendes zu
erklären. Die angeregte
Beglückwünschung als einfache
Bekundung menschlicher
Theilnahme für den hochbejahrten
Staatsmann aufzufassen verhindert uns schon
die Art, wie ein Theil der Anhänger des
Fürsten Bismarck beflissen ist, die
Geburtstagsfeier zu einem politischen
Huldigungsakt für denselben
auszugestalten
und zu parteipolitischen Zwecken für sich
selbst auszunutzen.
(Sehr
richtig!)
Auch wir
verkennen durchaus nicht die großen
Verdienste des
Fürsten Bismarck um das deutsche
Einigungswerk ——
(Zwischenrufe
rechts.)
— Die
Unterbrechungen bestätigen die
erwähnte Absicht parteipolitischer
Ausnutzung. — Auch wir verkennen durchaus
nicht die großen Verdienste des
Fürsten Bismarck um das deutsche
Einigungswerk und die auswärtige Politik
unseres deutschen Vaterlandes. Aber die
Persönlichkeit des Fürsten Bismarck
kann
und muß beanspruchen, ganz und
ungetheilt beurtheilt zu werden. Fürst
Bismarck
ist zugleich der Träger eines Systems der
inneren Politik, das wir als dem
Liberalismus und dem parlamentarischen Wesen
entgegengesetzt ansehen müssen und
deshalb im Interesse von Volk und Vaterland zu
bekämpfen stets für unsere
patriotische Pflicht erachtet haben.
(Lachen
rechts. Sehr gut! links.)
Insbesondere
hat Fürst Bismarck im letzten Abschnitt
seiner
politischen Wirksamkeit jene die Volkseinheit
zersetzenden Interessenkämpfe
entzündet und geschürt, welche auf
weite Kreise der Bevölkerung politisch
demoralisirend einwirken
(oh! oh!
rechts; sehr gut! links; — Glocke des
Präsidenten),
die Gegenwart
schwer belasten und für die Zukunft
unserer
nationalen Entwicklung mit Besorgniß
erfüllen.
(Widerspruch
rechts.)
Auch nachdem
der amtlichen Thätigkeit des Fürsten
Bismarck
ein Ziel gesetzt worden ist, sucht derselbe
mit der ganzen Autorität seiner
Person auf die öffentliche Meinung
einzuwirken in einer Richtung, welche die
Einlenkung der inneren Politik in gesundere
Bahnen verhindert oder erschwert.
(Sehr richtig!
links. Widerspruch rechts.)
Wir bedauern
daher, dem Ersuchen des Herrn Präsidenten
keine
Folge geben zu können.
(Lebhafter
Beifall links. Zischen rechts.)
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