Eugen Richter
1838-1906







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Eugen Richter
 
Zum 30. Juli 1882

 

Wo grüne Höh'n der Sonnenstrahl
Mit seinem gold'nen Netz umstrickt,
Und in das waldbekränzte Thal
Die Wartburg freundlich niederblickt,
Wo durch Gezweig die Sterne schimmern.
Wenn sanft der schöne Tag verglüht, 
Und bei des Mondes mattem Flimmern
Der Sage Wunderblume blüht --

Dort rastest Du, von dumpfer Luft
Die Brust nicht länger eingepreßt,
Der Berge Hauch, des Waldes Duft
Umwehen Dich am Wiegenfest;
Noch hält der Sommer frische Rosen
Zum Kranz für diesen Tag bereit,
Und still ergreift den Ruhelosen
Ein Heimweh nach der Jugendzeit.

Du bist ein Mann, so fest und treu,
Daß Dir das ganze Volk vertraut,
Der tadellos und ohne Scheu
Der Uebermacht in's Auge schaut;
So tapfer zog der Ritter Keiner
Dereinst den Weg zur Burg hinauf,
So stolz und mannhaft sprach nur Einer,
Gestützt auf seines Schwertes Knauf.

Wie hell Dein Zornesfeuer loht,
Wo Eigensucht sich knechtlich quält,
Es ist allein des Volkes Noth,
Die Dich zum Kampfe treibt und stählt;
Wenn hier des Schlummers süßer Friede
Dir lächelt, der daheim Dich narrt,
Hörst Du fern aus der Ruhl'er Schmiede
Im Traume: "Landgraf werde hart!"

Eh' noch das dürre Laub verstreut
Der Sturm in's öde Land hinein,
Hat wieder sich der Kampf erneut,
Und schwer und bitter wird er sein;
Die Streiche fallen dicht und dichter,
Wild tobt und schäumt der Feinde Wuth,
Dann blitzt Dein Auge, Eugen Richter,
Ein Leitstern für den schwanken Muth.

Wir zagen nicht, so lange Du 
Die Hand hältst um des Banners Schaft;
Reich fließe in der kurzen Ruh'
Für Dich die Quelle frischer Kraft;
In lichten, sommerlichen Farben
Lacht heute Dir des Festes Glanz,
Halt' aus: es reifen schon die Garben
Für Deines Volkes Erntekranz!
 
 

Albert Traeger, 1882