Politisches ABC=Buch
9. Auflage, 1898
Artilleriekredite. [S.30] Durch
Nachtragsetat wurde im Frühjahr 1897 vom
Reichstag ein
Kredit von 44 372 742 Mark verlangt zur
Umgestaltung des Artilleriematerials der
Feldartillerie. Die vollständige
Umgestaltung des Artilleriematerials erheischt
weit über 100 Millionen Mk., und werden
deshalb in den nächsten Etatsjahren
noch weitere Forderungen dieserhalb gestellt
werden. Die Forderung wurde am 26.
Mai im Reichstage gegen die Stimmen der
Sozialdemokratie genehmigt. Auch die
Freisinnige Volkspartei stimmte dafür.
Die Freisinnige Volkspartei hatte gleich
den anderen zustimmenden Parteien in der
Budgetkommission schon vor Weihnachten
auf Grund mündlicher Darlegungen dem
Kriegsminister die Zusicherung gegeben,
für diese Forderung stimmen zu wollen,
und war derselbe durch solche
Zusicherungen in den Stand gesetzt, schon
damals Bestellungen zu machen, sodaß,
als in der Oeffentlichkeit dem Reichstage eine
Vorlage gemacht wurde, die
Grenzarmeekorps bereits mit der neuen Waffe
versehen waren. Das Geheimnis der
Forderung war bis dahin gewahrt worden,
obgleich gerade in der Zwischenzeit die
Mehrheit des Reichstages heftig gescholten und
des Mangels an Vaterlandsliebe
geziehen wurde, weil sie bei dem Marineetat
für Abstriche von 12 Millionen
gestimmt hatte. Dabei war sie nicht in der
Lage, auf die gleichzeitig insgeheim
geforderte und bewilligte große Summe
für das Artilleriematerial hinzuweisen,
obwohl gerade die Aussicht auf die
Artillerievorlage mitbestimmend war, jene
Abstriche bei der Marine herbeizuführen.
Infolge der Bewilligung von obigen 44 [S.31] Millionen
Mark ist im Etat für 1897/98 von im
Ganzen 81 Millionen Mark zur
Bilanzirung notwendig gewesen.
Abg. Richter
begründete am 26. Mai 1897 im
Reichstage die
Zustimmung seiner
Partei zu der großen
Forderung u. a. wie folgt: „Wir würden
glauben. wenn wir hier an Eisen sparen
wollten, in die Lage kommen zu können,
um so mehr Blut dafür vergießen
zu müssen.
Wir wissen sehr wohl, was wir der Artillerie
gerade im letzten Kriege von 1870/71
in ihrer damaligen Waffe zu danken hatten,
um so mehr, als die damalige
Bewaffnung der Infanterie manches zu
wünschen übrig ließ. Wir
sind der Meinung,
daß die Erhaltung der Feldartillerie
in ihrer Bedeutung die oberste Aufgabe
für
die Wehrkraft ist und daß dem
gegenüber andere Forderungen für
die Marine, die
nach Lage unserer Küsten von nur
sekundärer, ja vielleicht nur
tertiärer
Bedeutung sind zurückstehen
müssen. Wir haben im Reichstage von
Anbeginn an stets
für alle Verbesserungen der
Waffenrüstungen gestimmt, und deshalb
werden wir,
auch, so „vaterlandslose Gesellen“ wir nun
einmal sind, uns weiteren
Konsequenzen nicht entziehen können,
wenn dieselben etwa aus diesen Forderungen
erwachsen könnten.“
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