Eugen Richter
1838-1906









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Politisches ABC=Buch
9. Auflage, 1898

 
 

Artilleriekredite. [S.30] Durch Nachtragsetat wurde im Frühjahr 1897 vom Reichstag ein Kredit von 44 372 742 Mark verlangt zur Umgestaltung des Artilleriematerials der Feldartillerie. Die vollständige Umgestaltung des Artilleriematerials erheischt weit über 100 Millionen Mk., und werden deshalb in den nächsten Etatsjahren noch weitere Forderungen dieserhalb gestellt werden. Die Forderung wurde am 26. Mai im Reichstage gegen die Stimmen der Sozialdemokratie genehmigt. Auch die Freisinnige Volkspartei stimmte dafür. Die Freisinnige Volkspartei hatte gleich den anderen zustimmenden Parteien in der Budgetkommission schon vor Weihnachten auf Grund mündlicher Darlegungen dem Kriegsminister die Zusicherung gegeben, für diese Forderung stimmen zu wollen, und war derselbe durch solche Zusicherungen in den Stand gesetzt, schon damals Bestellungen zu machen, sodaß, als in der Oeffentlichkeit dem Reichstage eine Vorlage gemacht wurde, die Grenzarmeekorps bereits mit der neuen Waffe versehen waren. Das Geheimnis der Forderung war bis dahin gewahrt worden, obgleich gerade in der Zwischenzeit die Mehrheit des Reichstages heftig gescholten und des Mangels an Vaterlandsliebe geziehen wurde, weil sie bei dem Marineetat für Abstriche von 12 Millionen gestimmt hatte. Dabei war sie nicht in der Lage, auf die gleichzeitig insgeheim geforderte und bewilligte große Summe für das Artilleriematerial hinzuweisen, obwohl gerade die Aussicht auf die Artillerievorlage mitbestimmend war, jene Abstriche bei der Marine herbeizuführen. Infolge der Bewilligung von obigen 44 [S.31] Millionen Mark ist im Etat für 1897/98 von im Ganzen 81 Millionen Mark zur Bilanzirung notwendig gewesen.

Abg. Richter begründete am 26. Mai 1897 im Reichstage die Zustimmung  seiner Partei zu der großen Forderung u. a. wie folgt: „Wir würden glauben. wenn wir hier an Eisen sparen wollten, in die Lage kommen zu können, um so mehr Blut dafür vergießen zu müssen. Wir wissen sehr wohl, was wir der Artillerie gerade im letzten Kriege von 1870/71 in ihrer damaligen Waffe zu danken hatten, um so mehr, als die damalige Bewaffnung der Infanterie manches zu wünschen übrig ließ. Wir sind der Meinung, daß die Erhaltung der Feldartillerie in ihrer Bedeutung die oberste Aufgabe für die Wehrkraft ist und daß dem gegenüber andere Forderungen für die Marine, die nach Lage unserer Küsten von nur sekundärer, ja vielleicht nur tertiärer Bedeutung sind zurückstehen müssen. Wir haben im Reichstage von Anbeginn an stets für alle Verbesserungen der Waffenrüstungen gestimmt, und deshalb werden wir, auch, so „vaterlandslose Gesellen“ wir nun einmal sind, uns weiteren Konsequenzen nicht entziehen können, wenn dieselben etwa aus diesen Forderungen erwachsen könnten.“