Politisches
ABC=Buch
9. Auflage, 1898
Christlich-soziale Arbeiterpartei.
[S.80] oder christlich-soziale Partei ist
diejenige Gruppe, welche Hofprediger Stöcker seit
1878 in Berlin um sich persönlich versammelte. Die Agitation Stöckers
in diesen Partei=Versammlungen richtete sich zuerst gegen die Sozialisten,
sodann aber gegen die Fortschrittspartei und den Liberalismus überhaupt.
Das Christliche in dieser Agitation gab sich vornehmlich in der Judenhetze
kund, welche aus den Versammlungen der christlich=sozialen Arbeiterpartei
zuerst in größere Volkskreise Berlins hinausgetragen ist. Das
Programm der Partei deckt sich im wesentlichen mit dem konservativen Programm,
enthält außerdem in sozial=politischer Beziehung einige im Sinne
des Staatssozialismus weitergehende Forderungen. Bei den Wahlen war die
christlich=soziale Partei früher stets für die konservativen
Kandidaten beziehungsweise für die Kartellkandidaten eingetreten.
Seit 1887 ist die Partei mehr und mehr zurückgegangen, insbesondere
seitdem die Hauptspezialität der Christlich=Sozialen, die Judenhetze,
auch von besonderen antisemitischen Vereinen betrieben ward und Stöcker
mit dem Verlust der Hofpredigereigenschaft für viele die frühere
Anziehungskraft verloren hat. Seitdem nun Stöcker aus der konservativen
Partei selbst ausgeschieden ist, hat die Gruppe die letzte Bedeutung eingebüßt
und wird schwerlich bei den Reichstagswahlen 1898 auch nur zu Zählkandidaten
von Bedeutung irgend wo gelangen. Im Jahre 1896 hat sich aus der Christlich=sozialen
Partei eine jüngere Linie die "National=Sozialen" abgezweigt (s. "Nationalsozial").
|