Politisches
ABC=Buch
9. Auflage, 1898
Dampfersubventionen. [S.81]
Zufolge dem Gesetze vom 6. April 1885 zahlt das Reich für die
Dauer von 15 Jahren an den Norddeutschen Lloyd
in Bremen jährlich den Betrag von 4 090 000 Mark zur Unterhaltung
[S.82] von regelmäßigen 4wöchentlichen
Dampfschiffverbindungen zwischen Deutschland einerseits, sowie Ostasien
und Australien andererseits. Einbegriffen darin ist eine achtwöchentliche
Zweiglinie zwischen Singapora-Batavia-Neuguinea und eine Zweiglinie nach
Japan.
Die Freisinnige
Partei stimmte 1885 gegen die Vorlage teils aus finanziellen
Gründen, teils auch weil sie in wirtschaftlicher Beziehung befürchtete,
daß die Einführung eines solchen, in Deutschland bisher unbekannt
gewesenen Subventionssystems für die Entwickelung der Seeschiffahrt
nachteilig sein werde. Die deutsche Rhederei ist ohne Staatssubvention
nächst der englichen die größte Rhederei der Welt geworden.
Auch bestanden schondamals ohne Reichshülfe regelmäßige
Dampfschiffahrtsverbindungen in Hamburg nach Ostasien und Australien durch
Privatgesellschaften seit Jahren. Bei den der Gesamtabstimmung über
die Vorlage vorhergehenden Abstimmungen über die einzelnen Linien
hatte die Freisinnige Partei aus taktischen Gründen ihren Widerstand
auf die australische Linie konzentrirt, weil die Annahme der asiatischen
Linie ohnehin auch ohne die Freisinnige Partei gesichert erschien. Doch
wurde auch die australische Linie gegen die Stimmen der Freisinnigen Partei
in der zweiten Beratung mit 166 gegen 152 Stimmen angenommen infolge Abkommandirung
der sozialdemokratischen Gegner der Vorlage (s. Abkommandirung).
In der Reichstagssession
1896/97 ist dem Reichstage eine Vorlage gemacht worden, welche die
Verträge mit dem Norddeutschen Lloyd auf 15 Jahre
verlängern will; dazu soll eine 14tägige
Verbindung mit Ostasien statt der bisherigen 4wöchentlichen eingerichtet
und die besondere auf die asiatische Linie entfallende Subvention von 1
800 000 M. auf 3 300 000 M. erhöht werden.
Die Vorlage stieß
im Reichstage auf vielen Seiten auf Widerspruch.
Grundsätzlich traten für dieselbe nur ein die Freikonservativen,
die Nationalliberalen und die Freisinnige Vereinigung.
Die letztere setzte sich freilich damit in Widerspruch mit dem Verhalten
der freisinnigen Abgeordneten i. J. 1885. Diesen Widerspruch suchte die
Freisinnige Vereinigung damit zu entschuldigen, daß, nachdem man
einmal eine subventionirte Linie eingeführt habem man nunmehr in diese
Richtung auch weiter geben müsse. -- Die Vorlage blieb 1897 in der
Budgetkommission stecken. Möglicherweise aber wird sie in der Session
1897/98 wiederholt werden.
Gegen die Erhöhung
und Verlängerung der Subvention für die ostasiatische
Linie sprechen die nachfolgenden Gründe. Das postalische
Interesse an den Verbindungen ist ein außerordentlich geringes. Auch
gegenwärtig kann nur ein Elftel der deutschen Postsachen auf der subventionirten
Linie befördert werden. Auch nach der Verdoppelung der Fahrten würde
sich der Umfang dieser Beförderung nur auf zwei Elftel erhöhen.
Die zahlreichen regelmäßigen Dampferverbindungen nach Ostasien
in anderen Ländern ermöglichen für die übrigen Postsachen
eine frühere Beförderung, als sie mit der deutschen Linie möglich
ist. Dazu kommt, daß infolge der Entwickelung der Verkehrswege für
einen Teil von Ostasien die Verbindung über Amerika
für Personen und Postsachen gegenwärtig geringer Zeit erfordert
[S.83] als durch den Suezkanal. Nach der Vollendung
der sibirischen Bahn erfolgt noch eine weitere
Abkürzung der Beförderungszeit auf anderem Wege.
Was sodann den Frachtverkehr
anbetrifft, so bestehen gegenwärtig auch in Deutschland regelmäßige
Dampferverbindungen nach Ostasien ohne Reichssubvention. Die Kingsinlinie
in Hamburg unterhält schon seit Jahren eine regelmäßige
14tägige Verbindung mit Ostasien. Außerdem unterhält ebenfalls
die Rickmerslinie in Bremen mit Ostasien
regelmäßige Verbindungen. Daneben unterhalten noch andere deutsche
Rhedereien Frachtverkehr mit Ostasien. Der Fortbestand und die Entwickelung
dieser selbständigen Rhedereien kann durch eine erhöhte Subvention
für den Norddeutschen Lloyd nur geschädigt werden. Dazu kommt,
daß gerade der Frachtverkehr durch Vermittelung des Norddeutschen
Lloyd in höherem Maße dem Auslande zu Gute
kommt als Deutschland. Bei konkurrirenden selbständigen
deutschen Rhedereien wie der Kingsinlinie ist dies schon deshalb nicht
der Fall, weil dieselbe nicht wie der Norddeutsche Lloyd Zwischenhäfen
anläuft.
Auch die subventionirte
australische Linie schädigt die selbständigen
deutschen Konkurrenzlinien. Eine Verlängerung des Vertrages in Betreff
dieser Linie findet auch von agrarischer
Seite Widerspruch, weil der Frachtverkehr aus Australien nach Deutschland
wesentlich in der Zufuhr landwirtschaftlicher Produkte besteht und die
Subventionirung der betreffenden Transportanstalten daher thatsächlich
eine künstliche Erleichterung der Konkurrenz des Auslandes mit den
landwirtschaftlichen Produkten des Inlandes darstellt. Auch diejenigen,
welche die Konkurrenz des Auslandes mit der einheimischen Produktion von
Reichswegen nicht erschweren wollen, sind darum noch nicht geneigt, diese
Konkurrenz aus den Mitteln der deutschen Steuerzahler zu erleichtern.
Eine andere Subvention
im Betrage von jährlich 900 000 Mark ist 1891 für die Dauer von
10 Jahren einer Hamburger Rhedergesellschaft bewilligt worden für
eine 4wöchentliche Postdampferverbindung mit Ostafrika. Die
Freisinnige Partei hat gegen diese Bewilligung gestimmt, weil durchaus
kein Bedürfnis vorhanden ist, die regelmäßigen Dampferverbindungen,
welche seitens anderer Staaten bereits mit Ostafrika bestehen, bei dem
geringen Frachtverkehr zwischen Deutschland und Ostafrika noch zu vermehren.
Die subventionirten deutschen Postdampfer gehen über Deutsch=Ostafrika
hinaus bis Mozambique und Delagoabai.
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