Eugen Richter
1838-1906










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Politisches ABC=Buch
9. Auflage, 1898

 
 

Dampfersubventionen. [S.81] Zufolge dem Gesetze vom 6. April 1885 zahlt das Reich für die Dauer von 15 Jahren an den Norddeutschen Lloyd in Bremen jährlich den Betrag von 4 090 000 Mark zur Unterhaltung [S.82] von regelmäßigen 4wöchentlichen Dampfschiffverbindungen zwischen Deutschland einerseits, sowie Ostasien und Australien andererseits. Einbegriffen darin ist eine achtwöchentliche Zweiglinie zwischen Singapora-Batavia-Neuguinea und eine Zweiglinie nach Japan.
 
     Die Freisinnige Partei stimmte 1885 gegen die Vorlage teils aus finanziellen Gründen, teils auch weil sie in wirtschaftlicher Beziehung befürchtete, daß die Einführung eines solchen, in Deutschland bisher unbekannt gewesenen Subventionssystems für die Entwickelung der Seeschiffahrt nachteilig sein werde. Die deutsche Rhederei ist ohne Staatssubvention nächst der englichen die größte Rhederei der Welt geworden. Auch bestanden schondamals ohne Reichshülfe regelmäßige Dampfschiffahrtsverbindungen in Hamburg nach Ostasien und Australien durch Privatgesellschaften seit Jahren. Bei den der Gesamtabstimmung über die Vorlage vorhergehenden Abstimmungen über die einzelnen Linien hatte die Freisinnige Partei aus taktischen Gründen ihren Widerstand auf die australische Linie konzentrirt, weil die Annahme der asiatischen Linie ohnehin auch ohne die Freisinnige Partei gesichert erschien. Doch wurde auch die australische Linie gegen die Stimmen der Freisinnigen Partei in der zweiten Beratung mit 166 gegen 152 Stimmen angenommen infolge Abkommandirung der sozialdemokratischen Gegner der Vorlage (s. Abkommandirung).
 
     In der Reichstagssession 1896/97 ist dem Reichstage eine Vorlage gemacht worden, welche die Verträge mit dem Norddeutschen Lloyd auf 15 Jahre verlängern will; dazu soll eine 14tägige Verbindung mit Ostasien statt der bisherigen 4wöchentlichen eingerichtet und die besondere auf die asiatische Linie entfallende Subvention von 1 800 000 M. auf 3 300 000 M. erhöht werden.
 
     Die Vorlage stieß im Reichstage auf vielen Seiten auf Widerspruch. Grundsätzlich traten für dieselbe nur ein die Freikonservativen, die Nationalliberalen und die Freisinnige Vereinigung. Die letztere setzte sich freilich damit in Widerspruch mit dem Verhalten der freisinnigen Abgeordneten i. J. 1885. Diesen Widerspruch suchte die Freisinnige Vereinigung damit zu entschuldigen, daß, nachdem man einmal eine subventionirte Linie eingeführt habem man nunmehr in diese Richtung auch weiter geben müsse. -- Die Vorlage blieb 1897 in der Budgetkommission stecken. Möglicherweise aber wird sie in der Session 1897/98 wiederholt werden.
 
     Gegen die Erhöhung und Verlängerung der Subvention für die ostasiatische Linie sprechen die nachfolgenden Gründe. Das postalische Interesse an den Verbindungen ist ein außerordentlich geringes. Auch gegenwärtig kann nur ein Elftel der deutschen Postsachen auf der subventionirten Linie befördert werden. Auch nach der Verdoppelung der Fahrten würde sich der Umfang dieser Beförderung nur auf zwei Elftel erhöhen. Die zahlreichen regelmäßigen Dampferverbindungen nach Ostasien in anderen Ländern ermöglichen für die übrigen Postsachen eine frühere Beförderung, als sie mit der deutschen Linie möglich ist. Dazu kommt, daß infolge der Entwickelung der Verkehrswege für einen Teil von Ostasien die Verbindung über Amerika für Personen und Postsachen gegenwärtig geringer Zeit erfordert [S.83] als durch den Suezkanal. Nach der Vollendung der sibirischen Bahn erfolgt noch eine weitere Abkürzung der Beförderungszeit auf anderem Wege.
 
     Was sodann den Frachtverkehr anbetrifft, so bestehen gegenwärtig auch in Deutschland regelmäßige Dampferverbindungen nach Ostasien ohne Reichssubvention. Die Kingsinlinie in Hamburg unterhält schon seit Jahren eine regelmäßige 14tägige Verbindung mit Ostasien. Außerdem unterhält ebenfalls die Rickmerslinie in Bremen mit Ostasien regelmäßige Verbindungen. Daneben unterhalten noch andere deutsche Rhedereien Frachtverkehr mit Ostasien. Der Fortbestand und die Entwickelung dieser selbständigen Rhedereien kann durch eine erhöhte Subvention für den Norddeutschen Lloyd nur geschädigt werden. Dazu kommt, daß gerade der Frachtverkehr durch Vermittelung des Norddeutschen Lloyd in höherem Maße dem Auslande zu Gute kommt als Deutschland. Bei konkurrirenden selbständigen deutschen Rhedereien wie der Kingsinlinie ist dies schon deshalb nicht der Fall, weil dieselbe nicht wie der Norddeutsche Lloyd Zwischenhäfen anläuft.
 
     Auch die subventionirte australische Linie schädigt die selbständigen deutschen Konkurrenzlinien. Eine Verlängerung des Vertrages in Betreff dieser Linie findet auch von agrarischer Seite Widerspruch, weil der Frachtverkehr aus Australien nach Deutschland wesentlich in der Zufuhr landwirtschaftlicher Produkte besteht und die Subventionirung der betreffenden Transportanstalten daher thatsächlich eine künstliche Erleichterung der Konkurrenz des Auslandes mit den landwirtschaftlichen Produkten des Inlandes darstellt. Auch diejenigen, welche die Konkurrenz des Auslandes mit der einheimischen Produktion von Reichswegen nicht erschweren wollen, sind darum noch nicht geneigt, diese Konkurrenz aus den Mitteln der deutschen Steuerzahler zu erleichtern.
 
     Eine andere Subvention im Betrage von jährlich 900 000 Mark ist 1891 für die Dauer von 10 Jahren einer Hamburger Rhedergesellschaft bewilligt worden für eine 4wöchentliche Postdampferverbindung mit Ostafrika. Die Freisinnige Partei hat gegen diese Bewilligung gestimmt, weil durchaus kein Bedürfnis vorhanden ist, die regelmäßigen Dampferverbindungen, welche seitens anderer Staaten bereits mit Ostafrika bestehen, bei dem geringen Frachtverkehr zwischen Deutschland und Ostafrika noch zu vermehren. Die subventionirten deutschen Postdampfer gehen über Deutsch=Ostafrika hinaus bis Mozambique und Delagoabai.