Politisches
ABC=Buch
9. Auflage, 1898
Manchesterpartei.
[S.236] Manchester ist eine Stadt in England,
in welcher seiner Zeit die Ideen und Interessen des Freihandels vorzugsweise
vertreten waren. Die Schutzzöllner legen den deutschen Freihändlern
gern diesen ausländischen Namen bei, obwohl die deutschen Freihändler
nicht um englische Interessen, sondern um deutsche Interessen willen für
den Freihandel eintreten. Abgesehen von Freihandel und Schutzzoll wird
auch diejenige Richtung als Manchesterpartei bezeichnet, welche den Gegensatz
zum Staatssozialismus und zur Sozialdemokratie bildet und in erster Reihe
überall für die Freiheit des Einzelnen und der Gesellschaft auf
wirtschaftlichem Gebiet eintritt und Beschränkungen dieser Freiheit
nur soweit zulassen will, wie die Notwendigkeit und Nützlichkeit derselben
im Einzelnen unzweifelhaft erwiesen werden kann.
Das Programm der wirtschaftlichen
Freiheit für die Gesetzgebung stammt nicht aus Manchester, der englischen
Fabrikstadt, sondern aus der preußischen Gesetzgebung von Stein und
Hardenberg aus den Jahren 1808 und 1810. Die Gegner werfen dem Prinzip
vor, daß es die Förderung der Selbstsucht bezwecke. Gerade umgekehrt!
In der Freiheit findet die Selbstsucht eine Schranke in der Selbstsucht
des Andern. Derjenige, der möglichst teuer verkaufen will, findet
ein Hindernis in den Bestrebungen derjenigen, die möglichst vorteilhaft
kaufen wollen. Wird dem einen mit dem andern Teil die Freiheit gelassen,
so müssen beide ihre Selbstsucht dem gemeinsamen Interesse unterordnen.
Wenn aber jemand behindert wird, so billig wie möglich zu kaufen,
z. B. durch Zollbeschränkung der Einfuhr aus dem Auslande, während
der andere Teil nicht verhindert wird, so teuer wie möglich zu verkaufen,
beispielsweise durch Ausfuhr nach dem Auslande, so wird gerade die Selbstsucht
des Einen auf Kosten des Andern unterstützt und statt der Gerechtigkeit
ein System der Ungerechtigkeit begünstigt.
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