Politisches
ABC=Buch
9. Auflage, 1898
Posttaxreformen. [S.280]
Seit
Jahren sind im Reichstag Reformen im Posttaxwesen verlangt worden, ohne
daß Staatssekretär Dr. v. Stephan diesen Forderungen Rechnung
getragen hätte. "Kommen Sie doch nicht immer wieder in jedem Jahr
mit den alten Sachen", so äußerte derselbe bei der letzten Beratung
des Postetats im Reichstage im Winter 1896. -- Zu diesen Forderungen gehört
in erster Reihe die Erhöhung des Höchstgewichts
der einfachen Briefe von 15 auf 20 Gramm. Diese Forderung wurde
bekämpft unter Berufung auf das entgegengesetzte Finanzinteresse.
Indeß beträgt dieser Ausfall selbst nach der ungünstigsten
Berechnung nur 4 Millionen Mark. Das Höchstgewicht von 15 Gramm läßt
sich jetzt noch um so weniger aufrecht erhalten, nachdem soeben der Weltpostverein,
und zwar gerade auf Antrag der deutschen Regierung das Höchstgewicht
von Weltpostbriefen von 15 Gramm auf 20 Gramm erhöht hat. Allerdings
kosten Weltpostbriefe das doppelte Porto, also 20 Pfennig. Eine weitere
Forderung betrifft die Herabsetzung des Ortsbriefbestellgeldes,
welches gegenwärtig für Berlin 10 Pfennige beträgt, während
es für alle übrigen Orte nur auf 5 Pfennig normirt ist. Die Ungleichheit
datirt aus einer Zeit, in welcher noch ein besonderes Briefbestellgeld
erhoben wurde und dieses in den größeren Orten sogleich im Porto
aufgeschlagen war. Eine alte Forderung ist eine Herabsetzung
der Versicherungsgebühr bei den Geldsendungen. Diese Gebühr
beträgt gegenwärtig ein Drittel bis Eins vom Tausend des Geldwertes
und steht ganz außer Verhältnis zum Risiko der Postverwaltung
bei der Vermittelung von Geldsendungen. Eine andere gerechtfertigte Forderung
betrifft die Herabsetzung der Telephongebühren
für kleinere Orte und Bezirke, in welchen die Teilnehmer entsprechend
der geringeren Zahl der Telephonanschlüsse auch einen geringeren Nutzen
von der Telephoneinrichtung haben. Gerade hier würde die Herabsetzung
der Gebühren eine Zunahme der Teilnehmer und damit auch andererseits
der Mehreinnahmen zur Folge haben. -- Sodann ist auch schon seit Jahren
die Reform des Postzeitungstarifs verlangt
worden behufs gerechterer Verteilung der bisherigen Einnahmen auf die verschiedenen
Arten der zur Beförderung übergegebenen Zeitungen. Gegenwärtig
beträgt der Tarif 20 Prozent von dem Abonnementspreise. Die Bemessung
lediglich nach den Abonnementspreisen hat zur Folge eine Begünstigung
derjenigen Presse, welche ihre Einnahmen bei niedrigem Abonnementspreise
vorzugsweise aus den Inserateneinnahmen bezieht. Auch nimmt der gegenwärtige
Tarif keine Rücksicht auf die Zahl der Zeitungsausgaben und das Gewicht
der einzelnen Sendung. Nach langjährigen Vorver=[S.281]=handlungen
war schon 1896 zwischen dem Reichsschatzamt und Reichspostamt eine Uebereinstimmung
erzielt worden über einen Tarif, welcher die Gebühren für
die Postbeförderung entsprechend den Leistungen der Post zu bemessen
sucht. Gleichwohl ist bis dahin ein neuer Tarif im Reichstage nicht vorgelegt
worden.
Der Nachfolger Stephans,
von Podbielski, will sich in Bezug auf Erhöhung des Maximalgewichts
der einfachen Briefe, das Porto für Ortsbriefe, die Herabsetzung des
Geldportos u. A. nur dann entgegenkommend verhalten, wenn das Postregal
erweitert und auch auf Ortsbriefe die Konkurrenz von Privatposten,
deren gegenwärtig 60 in größeren Städten bestehen,
ausgeschlossen wird. Diese Privatposten aber befördern Briefe zu einem
Portosatz von nur 3 Pfennig; ihre Briefbeförderung steht im Zusammenhang
mit ihrer anderen, dem Bedürfnis des Publikums engegenkommenden billigen
Beförderung von Drucksachen, Geldern, Paketen usw. Auch wird im Publikum
über die Sicherheit ihrer Briefbeförderung durchweg keine Klage
geführt.
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